Geschichte

Die Geschichte der Linderner Messdiener kann man nur aufzeigen, wenn man bis in das 13. Jahrhundert zurückschaut. Es war die Zeit der Christianisierung und damit auch verbunden die Zeit des ersten Kirchenbaus in Lindern. Wie in schriftlichen und mündlichen Aussagen überliefert wird, waren in all den Jahren Messdiener tätig, die dem jeweiligen Pastor oder Vikar bei der Eucharistiefeier oder anderen Diensten behilflich waren. Zunächst waren es die Messner (Küster) der Pfarrei, welche die Altardienste ableisteten. Erst später entwickelte sich das Amt des Messdieners. Aus mündlichen Überlieferungen ist zu entnehmen, dass die Messdiener im 19. Jahrhundert Altardienste verrichteten und auch sonst den Geistlichen behilflich waren (Beerdigungen, Versehgänge, usw.). In der Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Linderner Pfarrkirche findet sich ein Hinweis darauf, denn bei der Karfreitagprozession zu Zeiten Pastor Vossings „wurden von Knaben Marterwerkzeuge mitgeführt (Kreuz, Krone, Schwamm, Hammer, Nägel).“ In der Zeit von 1900 bis 1945 wurde das Messdieneramt zu einem Ehrenamt. Ab dem zehnten Lebensjahr konnte man hierzu berufen werden; genommen wurden allerdings nur Knaben der Schule in Lindern, die dann vom jeweiligen Vikar ausgebildet wurden. Das „Ausbildungskonzept“ war recht einfach gestrickt: bevor man „dienen“ durfte, hatte man vier Wochen lang mit Rochett im Chorgestühl der Schulmesse um 7:15 Uhr beizuwohnen. Eine besondere Schwierigkeit dieser Zeit bestand darin, die lateinischen Stufengebete auswendig zu lernen (Confiteor, Suscipiat): die gesamte Messe wurde bis zur Liturgiereform des zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) in Latein mit dem „Rücken zum Volk“ gefeiert. Die Werktagsmessen waren gewöhnlich um 6:15 Uhr und 7:15 Uhr. Sonntags begann der erste Gottesdienst bereits um 6:30 Uhr. Weitere Messen waren auf 9 Uhr und 10:30 Uhr angesetzt. Bei 10-12 Messdienern, die sich den Dienst teilten, kam ein jeder recht häufig an die Reihe. Verständlicherweise hatte die Werktagsmesse bei den Messdienern nicht die meisten Freunde. Knaben, die etwas näher bei der Kirche wohnten, verrichteten den „Frühdienst“ in der Regel über recht lange Zeiten. Als Dank dafür durfte man an den großen Festtagen den beliebten Hauptdienst tun. Ein Obermessdiener, der vom Pastor bestimmt wurde, nahm die Diensteinteilungen vor und bekam am Ende einen „Schott“ (Messbuch, lateinisch-deutsch). Die Gewänder der Messdiener hingen seitlich hinter dem Hochaltar. Dort standen auch Pantoffeln für diejenigen bereit, die barfüßig zum Dienst erschienen, was zur damaligen Zeit üblich war. Mit der Schulentlassung endete die Zeit als Messdiener.
Was waren die Tätigkeiten der Messsdiener? Natürlich ist zunächst einmal der Altardienst zu nennen. Erwähnen möchten wir in diesem Zusammenhang liturgische Besonderheiten, die es heute nicht mehr ganz so häufig gibt: Sonntags wurde vor dem Hochamt um 10:30 Uhr das Volk gesegnet. Der Pastor oder Vikar ging, begleitet von den Messdienern, die den Weihwasserkessel trugen, durch den Mittelgang und besprengte die Gläubigen („Asperges me“). Während der Wandlung musste ein Messdiener „klöppen“, das heisst, er musste durch einen kräftigen Zug am Glockenseil die große Glocke läuten (das Läuten gibt es heute immer noch, allerdings reicht es, wenn der Küster einen Schalter auf dem Orgelboden betätigt). Durch den Glockenschlag merkten die Leute in der näheren Umgebung, dass gerade Wandlung war. Wer den Glockenschlag hörte, hielt kurz inne und bekreuzigte sich. Bei Versehgängen begleiteten die Messdiener im Rochett und mit Verseh-Laterne und Klingel den Geistlichen (im Dorf zu Fuß und in den Bauerschaften per Kutsche): beim Ertönen der Klingel knieten die Leute am Wegesrand nieder und bekreuzigten sich. Bevor man allerdings die Kirche verließ, wurde die Glocke dreimal angeschlagen, so dass man im Dorf Bescheid wußte. Für manche Dienste gab es sogar einen kleinen Obolus: Hochzeits- und Beerdigungsmessen wurden mit 25 Pfennigen „vergütet“. Bei Beerdigungen wurden die Verstorbenen des Dorfes Lindern vom Pastor und den Messdienern vom Trauerhaus bis zum Friedhof begleitet. Da die Beerdigungsmessen vormittags stattfanden, gab es neben dem Obolus auch schulfrei. An den hohen Feiertagen gehörte das Festtagsgeläut ebenfalls zu den Aufgaben der Messdiener. In der Karwoche wurde mit einem großen Kasten, der mit Holzhämmern bestückt war, geklappert. Es waren die „stillen Tage“ und die Glocken „in Rom“. Übrigens waren die Messdiener zur damaligen Zeit schon recht kreativ, denn mit der Laubsäge wurden Krippen und Krippenfiguren hergestellt. Alle Jahre wieder gab es dann eine Krippenausstellung, bei der die Kunstwerke der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Beim Aufbau der großen Krippe in der Kirche waren natürlich auch Messdiener am Werk. Gruppenstunden gab es ebenfalls schon, doch fanden diese recht selten statt. Das änderte sich, als 1943 Pater Kremer Vikar in Lindern wurde. Das ganze Leben der Messdiener wurde reformiert, angefagen von den Füßen, über saubere Fingernägel und gekämmtes Haar. Ganz besonderen Wert legte Pater Kremer auf die korrekte Haltung des Körpers und die saubere Aussprache der lateinischen Antworten. Er führte auch den Leuchterdienst ein. Beim Sonntagshochamt, an Feiertagen oder bei Prozessionen waren 4, manchmal sogar 8 Leuchterträger dabei. Um seine Ziele zu erreichen, führte Kremer wöchentliche Gruppenstunden ein, welche im alten Pfarrheim (Pfarrhaus) stattfanden, und erhöhte die Messdienerzahl. Er erklärte den Aufbau der heiligen Messe und die Bedeutung der einzelnen Teile. Die Erarbeitung von Bibeltexten gehörte genauso dazu, wie Spiel und Spaß. Sehr oft gelang es dem Pater bei edlen Spendern trotz der Nöte, die der Krieg mit sich brachte, Süßigkeiten zu ergattern. Besonders schön waren allerdings auch Rad- und Wandertouren, deren Kosten ebenfalls von Spendern übernommen wurden. Eine Tour ging von Emstek, über Cloppenburg an die Thülsfelder Talsperre und von dort wieder zurück nach Lindern. Das schönste Ereignis war dann für die Linderner Messdiener das große Messdienertreffen 1944 in Bethen, denn sie durften die Festmesse mit 6 Hauptmessdienern und 10 Leuchterträgern (alle einheitlich im roten Ornat gekleidet) mitgestalten. Und das in der vollbesetzten Wallfahrtsbasilika.

Franz und Martin Kröger